Mittwoch, 29. Februar 2012

Dreist überdreist


"Prinzipien kann man leichter bekämpfen als nach ihnen zu leben.” 
Alfred Adler

Abdul nervt. Abdul nervt alle. Mich, andere Lehrer, Mitschüler. Alle. Es gibt keine Seite im Klassenbuch, auf der sein Name nicht auftaucht. Keine einzige. Ab und an ist er nett, so wie gestern. Wobei ich ja glaube, dass er eigentlich link ist und sich selbst im Schleimen überbieten möchte. (Diese Lehrer, nie kann man sie zufriedenstellen!) Er ist unverschämt, er kennt keine Grenzen, hat vor nichts Angst und zu Hause spurt er auch keine Konsequenzen. Nette Gespräche, böse Gespräche, laute Gespräche - null Wirkung. Echt nervig. Eigentlich verdient er es auch nicht, dass ich ihm einen ganzen Artikel widme. Aber Abdul hat sich ja schon in der Stunde abreagiert. Jetzt muss ich mich abreagieren. So!

Yunus hält ein Referat. Über Leonardo da Vinci. Ich gebe zu, ihm zuzuhören, war nicht allzu aufregend. Yunus hat nämlich die Funktionen ‘kopieren’ und einfügen’ benutzt und uns quasi den Wikipedia-Artikel zu diesem Thema vorgelesen. Wenigstens hat er ein Plakat zu dem Referat vorbereitet. Keiner hat etwas verstanden, nicht mal Yunus selbst. Trotzdem, noch lange kein Grund dermaßen zu stören. Abdul schreit, singt, läuft durch die Klasse, wirft mit Papierkügelchen, isst und trinkt, stellt anderen Schülern irgendwelche unfassbar unwichtigen Fragen. Er macht also alles, um sich selbst zu bespaßen. Alles andere ist ihm wohl momentan zu langweilig. Irgendwann kann ich weder seine Stimme hören, noch seinen Namen sagen. Ist ja schon an die 20 Mal in dieser Stunde passiert. Nur noch anstrengend. Irgendwann halte ich diese Unverschämtheit nicht mehr aus. Wenn man dem Lehrer nicht zuhört, ok… Das ist üblich. Mehr oder weniger. Aber da hat jemand von euch etwas vorbereitet. Hör ihm doch zu! (Auch so ein typischer Lehrerspruch…)

“Abdul! Jetzt reicht es! Ich ware dafür, dass du endlich mal den Mund hälst, sonst werde ich noch auf deine Stimme allergisch! Und das möchtest du nicht erleben, glaub mir! Und deine Eltern möchten das bestimmt auch nicht erfahren.” Pro forma die Eltern erwähnen. Das ist wie so ein Placeboeffekt. Hilft eigentlich nicht, aber beruhigt die Psyche. Zumindest meine.
Abduls Gesicht läuft dunkelrot an. - “Ihhh, wie Sie mich beleidigen! Und meine Familie!” Oh nein, nicht schon wieder dieselbe Schallplatte!
- “Sie übertreiben! Denken, Sie sind witzig! Sind Sie gar nicht! Lassen Sie mich in Ruhe!” Hier reagiert Deniz. 
- “Ey Abdul, nerv doch mal nicht. Wenn sie sagt ‘sei ruhig’, dann halt auch die Fresse! Übertrieben, wie du nervst.” Wenn schon Mitschüler so reagieren, kann meine Wahrnehmung nicht ganz verkehrt sein. Aber ich bin ja pädagogisch wertvoll. Deswegen:
“Es tut mir leid, falls meine Worte wie eine Beleidigung bei dir ankamen. So war das nicht gemeint. Allerdings müsstest du dir Gedanken machen, warum man so auf dich reagiert!”
- “Mir doch egal, was Sie jetzt sagen. Mir alles egal. Ich will nix mehr hören.” Boaahhh, jetzt entschuldige ICH MICH auch noch und er spielt immer noch beleidigt!

Immerhin ist Abdul während der nächsten 20 Minuten ruhig. Echt viel für ihn. In den letzten 5 Minuten muss ich die aktuellen Kontaktdaten der Schüler erfragen und einige andere Daten, die für die Statistik wichtig sind. Als Abdul an der Reihe ist, streckt er seine Nase in die Höhe und sagt: “Gar nix sage ich Ihnen!”
“Abdul, ich brauche die Informationen. Und zwar möglichst jetzt.”
- “N.E.I.N!”
“Abdul, du hälst uns alle hier auf. Also?”
- “Gar nix sage ich Ihnen! Sie sind selba schuld!” Eigentlich könnte die Geschichte von heute auch heißen: ‘Wie Schüler die Ereignisse umdrehen und sich selbst ins Rampenlicht stellen.’

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