Mittwoch, 28. März 2012

Meckerfrei


Meckern ist immer leichter, als von anderen angemeckert zu werden.”
Wolfgang Bötsch


Was für ein schöner Vormittag! Die Sonne scheint, jeder schleckt an seinem Eis und wir laufen fröhlich in Richtung Moschee. Fünf sind nicht gekommen. Morgen werden sie mir sicherlich erzählen, dass sich wiedermal von irgendeiner Kriegsverletzung auskurieren mussten. Wer so einen Tag verpasst, ist selbst schuld. Dejan durfte nicht mitkommen, weil er drei Strafarbeiten nicht abgeliefert hat. Stattdessen sollte er heute dem Hausmeister bei diversen Arbeiten helfen.  Ich hoffe für ihn, dass er erschienen ist.

Lachend, quatschend, zufrieden. Gut, bis ich die faulen Socken dazu gebracht habe, 3 km zu laufen und nicht den Bus zu nehmen, hat es gedauert. Abdul versuchte mir lange zu erklären, dass sein Fuß so sehr weh tut, dass er unbedingt den Bus nehmen muss. Das Humpeln war aber dann doch nicht authentisch genug und hat mich nicht überzeugt. Tuncer und Joycelyn sind kurz in die U-Bahn verschwunden, dann aber wieder aufgetaucht. Nichts hat geholfen, Mrs. Johnson blieb standhaft. Schließlich heißt Wandertag nicht umsonst Wandertag. Ab heute mache ich das immer. Nur noch laufen.

Irgendwann kommen wir an der Moschee an. Viel zu früh. Also unterhalten wir uns noch ein bißchen miteinander. Unterhalten ist so selten und so wertvoll. Ich habe es tatsächlich geschafft, dass auch jeder sein Handy wegsteckt und die Kopfhörer aus den Ohren rausnimmt. - „Ey bitte, nur noch ein Lied. Dann mache ich echt aus!“ Also sitzen wir noch ein bisschen in der Sonne und unterhalten uns eben weiterhin alle miteinander. Über das Essen, die Gebete und die Traditionen in den Familien. Herrlich. Kleine Lebensgeschichten, besser als jede Soap-opera. Ich liebe diese Gespräche. Da kommen diese menschlichen Schüler ans Licht- so normal und verletzlich. Die coolen Macker aus der Schule existieren plötzlich nicht mehr. Keine Beleidigungen. Friede, Freude, Eierkuchen. (Welchen Sinn soll eigentlich dieser Spruch ergeben?) Ist schon unfassbar, welche Seiten man an seinen Sprösslingen entdeckt, wenn man sie außerhalb der Schule erlebt.

In der Moschee bekommen wir eine Führung. Eine richtig gute. Mit zahlreichen Infos und vielen Bezügen zum Alltag. Fast zwei Stunden am Stück. Die Kiddies hören zu, stellen Fragen und hören zu. Einander und dem Guide. (Man kann es gar nicht oft genug sagen.) Sie melden sich, wenn sie etwas sagen möchten. Und wenn mal jemand nicht dran kommt, gibt es kein: - „Nie nehmen Sie mich dran, nur die anderen!“ Einige wissen nicht allzu viel, andere wiederum, wissen fast auf alles eine Antwort. Danach bedanken sie sich höflich und fragen mich, ob der Wandertag jetzt vorbei ist und sie gehen dürfen. Sie sind so, wie ich sie mir im Unterricht wünsche. Anderseits, hätte ich nicht des Öfteren üble - wirklich üble - Stunden erlebt, würde ich den heutigen Tag bestimmt nicht in diesem Licht sehen. Es beruhigt aber, dass sie so sein können. Und dass sich das alles lohnt.

Kein Grund zum Meckern. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen