Freitag, 27. September 2013

Kannst du nicht Eichhörnchen sagen?

"Mühsam nährt sich das Eichhörnchen."
Sprichwort

Die Kassiererin im Supermarkt hat mir soeben 'Schönes Wochenende' gewünscht und ich dachte: 'Ne, viel mehr! Nicht nur Wochenende, nein, ganze zwei Woche Ferien. Und ich habe sie verdient.'

Heute war jede Stunde wie Freitag 7. Stunde. Jede einzelne Minute war so. Und ich habe Sekunden gezählt, bis es endlich zu den Ferien geklingelt hat und bis Ranja, bevor sie die Klasse verlassen hat, mir zuflüsterte: "You are my lover teacher! Oder irgendwas sowas ..."

Davor allerdings, ging es drüber und drunter. Wir waren gerade bei Haupt- und Nebensätzen. 
Önder schaute sich die Aufgabe an und fing an zu fluchen: "Welche Missgeburt hat sich die Fragen ausgedacht? Ich schwör, ich fick dem, seine Mutter. Welche Behinderte hat die Fragen erfunden? Haben die Langweile? Was ein Scheißtext!"
Alles Wiederholung. Trotzdem kann keiner einen Hauptsatz von einem Nebensatz unterscheiden. Bis plötzlich Faruk draußen etwas entdeckte und schrie:
"Wie die da rumspringt! Macht die Akrobatik? Wie heißt dem? Aysch.. Aysch.." Alle sprangen auf. Wirklich alle. Und liefen zum Fenster. 
"Bist du dumm? Kannst du nicht Eichhörnchen sagen? Ist doch leichteste Tier überhaupt! Aber Frau Feynberg, wieso springt es so rum?"
Ich kam gar nicht dazu, zu antworten...
"Hat das vielleicht Drogen genommen?"
"Nein, ich weiß, das hat bestimmt ADS! Frau Feynberg, Sie erkennen das doch sofort, oder? Wenn jemand ADS hat, oder?"
"Hast du schon mal ein Eichhörnchen beim Psychiater gesehen, du Opfer?" Can ist total empört und ich auch. Ich will nämlich Unterricht machen. Deutsch, um genauer zu sein.
"Leute, setzt euch hin. Ihr habt gerade kein Bio, sondern müsst euch mit der Grammatik beschäftigen!"
"Aber ist der Tier da Mann oder Frau? Ist doch wichtig, um Diagnose zu machen, oder?" fragt Melina etwas unsicher.
"Melina, es ist das Tier!"
"Dem?"
"Nein, das Tier, nicht der. D.a.s."
"Ah so.. Was ne Show Sie hier machen. Wegen paar Artikel. Richtige Artikel nennen is wie Oskar bekommen oder was? Bin ich hier Brad Pitt oder was?"
"Das war ein Zeichen! Deutsche Grammatik wartet!"

Ich glaube es kaum, aber... die Kiddies beschäftigen sich anscheinend wieder mit Deutsch. Bis Antonio aufspringt und anfängt, hysterisch zu schreien. Und ich meine wirklich hysterisch. Als hätte er plötzlich einen Ausschlag bekommen oder Schmerzen oder oder... Er rennt durch den Raum und schreit. Die Klasse lacht. Genauso hysterisch, wie Antonio schreit. Ich verstehe gar nichts. 
"Antonio! Was ist denn mit dir los?"
"Aaaah, der Wespe, der Wespe! Geh ma weg wieder, du Missgeburt!" Er fuchtelt wie verrückt mit den Armen.
"Antonio! Das ist doch nur eine kleine Wespe!"
Önder pflichtet mir bei: "Hat der Angst vor der Mini-Wespe. Aller, Antonio, du bist Schrank im Vergleich zur Wespe! Aller, Junge, du bist Gangster!"
"Ja und? Aber wenn der Hurensohn mich beißt?! Ich habe dann Narbe fürs ganze Leben!"
"Antonio, wenn du wie verrückt durch den Raum rennst, macht es die Sache nicht besser!"
"Dooooch, ich renn doch dann weg vor der. Oder Sie machen telefonische Anruf und holen diese Wespenjäger. Ahhhh, jetzt. Biiiitte! Mieseste Angst gerade, ich schwör!"

Mittlerweile sind alle Fenster aufgerissen und ich bete, dass diese blöde Wespe endlich wieder rausfliegt und ich weitermachen kann. Meine Gebete werden erhört. Die Wespe verlässt den Raum. Antonio dreht sich dreimal um die eigene Achse. Nachdem er sich sicher ist, dass die Wespe weg ist, setzt er sich endlich hin.
"Apropos Grammatik. Antonio, warum denn der Wespe?"
"Hä? Is nicht der Wespe? Is doch auch der Stecher?!"



Donnerstag, 26. September 2013

Ist so, wie wenn ich Pommes rot-weiß bestelle?

Eine Koalition ist eine Vernunftheirat mit Flitterwochen in getrennten Schlafzimmern. 
Jean Marivaux

Feeerieeen! Wooo seid ihr? Zum Glück nicht so schrecklich weit. Nur noch einmal schlafen. Und ein paar kuriose Gespräche führen. So wie heute zum Beispiel.

Abdul und Timm kommen gehetzt in der Klasse an. Fünf minuten nach dem Klingeln.
"Wir sind gerannt um unser Leben!" rechtfertigt sich Timm.

"Das ist ja schön, aber es hat dennoch nicht gereicht. Setzt euch schnell hin."
Abdul beginnt noch im Laufen zu reden.
"Nach den Ferien ist doch Opferfest. Wa, Frau Feynberg?"
"Ja, Abdul. Wenn du vorhast, an dem Tag zu fehlen, dann brauche ich bis morgen bitte eine Entschuldigung deiner Eltern."
"Hä? Nicht vom Arzt?"
"Nein! Du bist doch an diesem Tag nicht krank, Abdul. Deswegen müssen deine Eltern quasi nur bestätigen, dass du diesen Tag feierst."
"Ah so... und wenn ich an dem krank bin?"
"Planst du da jetzt schon krank zu sein oder wie??"
"NEIN! Gar nicht! Was wollen Sie mir unterstellen?"
"Abdul, ich will dir gar nichts unterstellen. Ich möchte lediglich anmerken, dass wenn du das Opferfest begehen möchtest, ich eine Entschuldigung von deinen Eltern brauche. Oder Bestätigung oder nenne es wie du willst!"
"Wie ich will.. wie ich will.. Was das? Sonst kann ich nie entscheiden und heute schon? Feiertag oder was?"
"Genau, nämlich das Opferfest. An dem Tag kannst du..." 

Plötzlich mischt sich Önder ein. "Aller Junge, übertreib ma nich! Wie oft soll sie es noch erklären??"
Stimmt, wie oft soll ich das noch erklären?
Önder fährt fort: "Halt einfach die Fresse, Abdul, also nichts gegen dich! Aber halt doch einfach die Fresse!
"Aber moment..." Abdul überlegt.
Ich bin genervt. Es ist meine (und seine) Unterrichtszeit, die er hier verschwendet. Hauptsache, keinen Unterricht machen. Abdul merkt es.
"Wieso machen Sie so, Frau Feynberg? Ich habe doch das Recht zu reden!"
"Ja, hast du.. und auch das Recht zu lernen.. was du gerade nicht machst!"
"Haben Sie gerade gesagt, ich bin dumm? Als ob andere hier lernen!"
"Abdul! Hast du nun eine Frage oder nicht? Frage stellen oder für immer schweigen!"
"Für immer schweigen?? Das dürfen Sie..."
"Abdul!!"
"Ja, ja ok... Letztes Jahr war das doch unentschuldigter Tag bei mir. Das Opferfest."
"Wahrscheinlich, weil du mir nichts von deinen Eltern mitgebracht hast!"
"Ah so.. ja.. darf ich dann diesmal Entschuldigung für zwei Opferfeste bringen? Und auch für nächstes Jahr? Ah so... nächstes Jahr bin ich ja schon OSZ..."

"Abdul, solltest du noch Fragen haben, wir können sie gerne nach dem Unterricht klären. Jetzt würde ich gerne mit dem Thema beginnen. Welches Ergebnis haben wir nun, nach den Wahlen?"
"Die Mutti hat wieder gewonnen. Zum 3. Mal! Man kann doch nur zweimal, oder?"
"Helmut Kohl wurde sogar viermal gewählt!"
"Walla? Viermal? Hatte der keine Hobbies? Aber der heißt doch Helmut Köhler, oder? Der, der jetzt in Bayern gewählt wurde?"
"Das ist Horst Seehofer!"
"Neeeein!" Abdul ist von seiner Meinung mehr als überzeugt. "Ich meine Helmut Köhler. Kennen Sie den nicht?"
"Der ist doch tot?!" möchte Nafisa wissen.
"Meinst du vielleicht Horst Köhler, den ehemaligen Bundespräsidenten?"
"Neeein! Und noch was: Merkel muss doch jetzt überlegen mit wem die regiert. Und da gibt es doch so Farben. Ist so, wie wenn ich Pommes rot-weiß bestelle?"
"Wir lesen mal den Zeitungsartikel und danach wird hoffentlich einiges klarer. Abdul du liest bitte die zwei ersten Absätze und du, Isabel, die zwei letzten."
Abdul ist nicht einverstanden. "Nö, das mache ich nicht. Abdul macht keine halben Sachen und Abdul benutzt keine Rückseite. Merken Sie sich das, Frau Feynberg! Außerdem kann ich heute nicht lesen, weil ich dann nich höre, wenn andere mich auslachen."
"Warum hörst du denn nichts?"
"Ich höre nichts, weil meine Nase zu ist!"

Dienstag, 24. September 2013

"Wer bist du?"

"Ich habe 3 Kinder und kein Geld. Wieso kann ich nicht keine Kinder haben und 3 Geld?"
Homer Simpson

Ich möchte niemals in einem Kindergarten arbeiten. Und auch nicht in einer Grundschule. Das wird mir schlagartig wieder bewusst, als ich den Praktikumplatz von Parthena betrete. Es ist ein Kindergarten und es ist laut. Ich klopfe an die Tür. Mir macht ein kleines Mädchen auf. Sie trägt ein rosa Röckchen und eine rosa Brille, die perfekt zum Röckchen passt. Sie schaut mich ganz lange an, ganz eindringlich. Sie lächelt. Nach gefühlten 30 Minuten.
"Wer bist du?"
"Ich bin die Lehrerin von Parthena. Und wie heißt du?"
"Anna. Soll ich dir zeigen, wo Parthena ist?"
"Hallo Anna. Das wäre sehr nett." Ich weiß gar nicht, wie man mit solch kleinen Kindern redet, fällt mir ein.
Anna bleibt in der Tür stehen und bewegt sich keinen Schritt zur Seite.
"Weißt du? Parthy hat mit mir Pizza gebacken. Aber aus Knete. Lustig, stimmt's?" Anna lacht auf und guckt wieder ernst. Sie reicht mit ihre Hand. "Komm, da ist Parthy."

Parthena sitzt in einer Spielecke. Um sie herum sind drei Mädchen und zwei Jungen versammelt. Sie alle hängen an Parthenas Lippen. Parthena liest aus einem Buch. Ich könnte so stundenlang stehen und die Szene beobachten. Am liebsten würde ich sie fotografieren und das Foto allen anderen zeigen, die Parthena als schwierig und als nicht zu bändigen bezeichnen. Und ich muss zugeben, es gibt noch eine andere Parthena. Eine, die vorlaut und aggressiv ist. Eine, die lauter Schrei- und Lachanfälle im Unterricht bekommt. Die hier mag ich viel lieber.
Anna geht zur Parthena und tippt sie an: "Guck ma, wer daaaa ist!" 
Parthena ist überhaupt nicht genervt. Im Gegenteil, sie lächelt und guckt hoch. "Hä? Heute?"
"Klar, heute. Ich habe doch meinen Besuch angekündigt! Können wir in eine ruhige Ecke gehen?"
Auf dem Weg flüstert Parthena mir zu: "Dieses eine Mädchen gerade, die hat was mit ihrem Auge. Die sieht voll beschwommen. Voll die Arme! Ich hab eh voll die Asylantengruppe. Anna ist auch halbasylantisch. Und alle anderen vollasylantisch. Die stellen manchmal voll die unnötigen Fragen, so was wie 'Parthy, kannst du kochen?' Voll unnötig, als ob ich denen hier so ein 3-Gänge-Menü machen würde!"


Als wir uns durch die Kinder durchgekämpft haben und endlich in einem leeren Raum ankommen, versteht Parthena immernoch nicht, was passiert.

"Aber heute ist doch Streik, oder?"
"Ja."
"Und was machen Sie dann hier? Ich dacht, Sie gehen da mit Plakaten, rumschreien."
"Jetzt besuche ich ja dich. Zeig mir deine Ordner bitte."
"Aber ich hab noch eine Frage. Sie haben uns doch letztens erklärt, Sie wollen mehr Rechte.. wie diese... wie heißen die?"
"Beamte."
"Genau. Und dann wollen Sie doch, dass man Ihre Gehalt irgendwo .. wie heißt das dings? Aufschreibt.."

"Ja, wir möchten einen Tarifvertrag haben."
"Ahhh, stimmt das haben Sie doch letztens erklärt. Und dieses Ding verhandelt für Sie! Arbeitsamt?"
"Nein."
"Schulamt?"
"Nein."
"Lehramt?"
"Nein."
"Al-Quaida?"
"Was?? Wie kommst du denn auf die jetzt?"
"War nicht richtig, wa? Was macht die Al-Quaida eigentlich?"
"Auf jeden Fall nichts, was den angestellten Lehrern bei ihren Forderungen helfen könnte. Für uns verhandelt eine Gewerkschaft."
"Gewerkschaft? Das haben Sie niemals gesagt, dieses komische Wort!"
"Klar, Mrs. Smith und ich haben euch das ganze Prozedere schon einmal erklärt!"
"Aber, Frau Feynberg, wenn Sie mehr Geld wollen... Mandy macht doch Praktikum beim Friseurladen. Die sagt, eine Visagistin verdient überviel. Reicht locker für Porsche und Villa!"

Nachdem ich nun Kindergarten für mich ausschließen kann, muss ich mir ernsthaft Gedanken über den Beruf der Visagistin machen..

Sonntag, 22. September 2013

"Verkaufsoffen mit Sale?"

"Ohne Sonntag gibt's nur noch Werktage!"
Unbekannt.

Deutschland wählt. Meine Schüler werden auch bald wählen können. Viele von ihnen zumindest. Sehr bald. Bei uns war also schon am Freitag Wahltag.

"So ihr Lieben, was passiert denn an diesem Sonntag in Deutschland?"
"Verkaufsoffen mit Sale?"
"Nein, Mandy. Ganz falsch." 
Abdul weiß es besser. "Aller, du bist so dumm! Wahlen, es sind Wahlen am Sonntag. Hast du nicht überall in der Stadt diese hässlichen Plakate gesehen?"
"Sehr gut, Abdul. Wen wählen wir denn am Sonntag?"
"Ähmmm, Klaus Wowereit?"
"Nein."
"Präsident von ..."
"Nein."
"Cüs, Frau Feynberg, ich eskaliere gleich! Jetzt sagen Sie schon!"
"Wir wählen den Bundestag und somit auch den Kanzler!"
"Bundes... was? Was das für ein Name?"
"Ok... Leute... Wir fangen ganz von vorne an. So etwas müsst ihr wissen! Wie Politik im eigenen Land funktioniert, gehört zum Allgemeinwissen. Und Allgemeinwissen müsst ihr haben, wenn ihr euch um einen Ausbildungsplatz bewerbt."
Mirko versteht das überhaupt nicht. "Wieso brauch ich denn Allgemeinwissen? Kann man sich von Allgemeinwissen was kaufen??"
"Ganz oft einen Ausbildungsplatz! Aus wie vielen Bundesländern Deutschland besteht und wie dazugehörigen Haupstädte heißen, erwartet heutzutage bestimmt jeder zweite Ausbilder!" Ich hoffe, ich habe Recht mit meiner Aussage, aber irgendwie muss ich die Kiddies doch davon überzeugen können, dass Wissen tatsächlich Macht verleihen kann.
"Haupstädte, Allgemeinwissen? Niemals! Das doch Erdkunde!"
"Nenne es wie du willst, Mirko! Es schadet nicht, diese zu kennen!" 
Mirko seufzt. "Na gut, dann lern ich halt diese fünf Länder auswendig. Und die Hauptstädte."
"Mirko, es sind 16."
"16? Ihr Ernst? Und die muss ich mit Hauptstädte kennen?! Können wir nicht normale Länder machen?"

"Ihr bekommt jetzt ein Arbeitsblatt, holt doch schon einmal den Marker raus! Wer möchte austeilen?"
Schweigen. Alle gucken nach unten.
"Can, hier die Blätter. Los geht's!"
"Wie Sie mich immer mobben!"
"Warum steht denn da 'Von Bonn nach Berlin'? Welche Rolle spielte Bonn vor der Wiedervereinigung?"
Schweigen.
"Bonn war mal die Hauptstadt von Deutschland. Berlin aber auch."
"Hä? Zwei Hauptstädte ohne Sinn... War Berlin die Hauptstadt von diesem alten, großen Reich?"
"Neeein, ich weiß!!" schreit Melina, "Bonn war die Hauptstadt von Berlin und Berlin war die Hauptstadt von Deutschland!"
"Habt ihr denn schon mal etwas vom Kalten Krieg gehört?"
"Der in Sibirien?" Langsam verstehe ich, dass ich viel zu viel von ihnen verlange und beschließe zu erfragen, was sie überhaupt wissen. Hilfe, wo soll ich anfangen?!

"Der Zweite Weltkrieg endete ja 1945."
"Ich hab geguckt im Fernsehen, dass der Dritte Weltkrieg bald kommt. Wegen Syrien. Stimmt es?"
"Lasst uns erst mal das eine Thema beenden. Also Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg verloren und wurde befreit. Die Sieger teilten sowohl Deutschland als auch Berlin unter sich auf." Oh man, wie soll ich jetzt mehrere Jahre und komplizierte Prozesse ganz schnell erklären?! "Berlin wurde zum Beispiel von der Roten Armee, von den Sowjets, befreit. Teilweise kann man an manchen Gebäuden noch heute die Einschusslöcher sehen."
Serkan schnippt mit dem Finger und schreit: "Ich weiß, ich weiß. Bitte nehmen Sie mich dran!"
"Serkan?"
"Das waren die Hells Angels, die Berlin befreit haben, wa?"
"Ähmmm... da verwechselst du bisschen was..." Was soll man darauf auch antworten, wenn es eigentlich um den Zweiten Weltkrieg geht?
"Also, wen wählt man noch mal am Sonntag?" Ich bin Mandy für diese Frage äußerst dankbar, weil ich so aus der Hells-Angels-Nummer nicht rausgekommen bin. "Diesen Präsidenten Gauck?"
"Hä? Ist nicht Wulff dieser Präsident?" Alle rollen mit den Augen und Abdul versteht die Welt nicht mehr. "Hä? Seit wann ist der nicht mehr?"
"Schon länger nicht mehr, Abdul ..."
Jetzt meldet sich Önder. "Kann die Merkel dann eigentlich machen, was die will? Wenn sie diese Hauptfrau bleibt?"
"Nein, dafür haben wir in Deutschland die Gewaltenteilung. Hat jemand schon mal diesen Begriff gehört?"
"Ja ich," sagt Melina sehr selbstsicher, "irgendwas mit psychisch und physisch, wa?"
"Nein..." Den Rest der Stunde verbringe ich mit der Gewaltenteilung. Irgendwo muss man ja anfangen. 
Mirko ist absolut geschockt von der Komplexität der Politik.
"Ey, Frau Feynberg, woher wissen Sie das alles?"
"Ich habe unter anderem Politik studiert..."
"Cüüüs, war Ihnen langweilig?"
Völlig fertig gehe ich aus der Stunde raus und realisiere, wie sehr ich die Ferien herbeisehne.

Nach der Pause gehe ich auf dem Weg in den Unterricht am Sekretariat vorbei und sehe Melina und Isabel.
"Was macht ihr denn hier?"
"Wir sollen zum Direktor."
"Oh nee! Wieso das denn?"
"Ich hatte Stress mit der Englischlehrerin," sagt Isabel.
"Und ich hatte was mit dem Hausmeister," fügt Melina hinzu.


Donnerstag, 19. September 2013

"Dumme Bücher! Besser?"

"Schockt eure Eltern - kauft Bücher!"
Unbekannt

Unser neues Baby ist da. Ich komme rein in die Klasse und erblicke es sofort. Ist auch schwer, das Ding zu übersehen. Das neue, saubere, glänzende Smartboard hängt auf der Wand. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Ich liebe die neue Technik. Filme, Fotos, Diagramme, viele-interaktive-Dinge-die-die-Welt-nicht-braucht. Die Welt nicht, aber ich. Unterricht ist einfach angenehmer mit dem Ding und moderner und vielfältiger. OH-Projektor, wie ging das nochmal?

Meine Freude verfliegt schlagartig, als Can in die Klasse kommt, Anlauf nimmt, zur Tafel sprintet und seine Hand auf die weiße Oberfläche klatscht.
"Is touchscreen??"
"Caaaan, fass das Ding nicht an! Es ist megateuer!"
"Wie viel? Eine Million?"
"Das spielt überhaupt keine Rolle, wie viel. Fakt ist, die Tafel soll laaaange leben und Fakt ist, dass du die Reparaturkosten sicher nicht zahlen willst und wahrscheinlich auch nicht kannst?"
"Woher wissen Sie? Gangsta?"

Plötzlich stehen alle am neuen, gänzenden Smartboard. Zum Glück möchte es nicht jeder anfasen. Wahrscheinlich war meine Warnung an Can doch deutlich. Dafür stellt Timm die nächste Frage, die mich leicht verunsichert.
"Ey, Frau Feynberg, glauben Sie, ich kann das Ding so nehmen und wegtragen?" 
Was soll ich darauf bloß antworten. Zum Glück hilft Önder: "Cüüs, Junge, hast du Herkules gefrühstückt? Denkt der, der wär Rocky!"
"Ich bin stark, willst du sehen?" 
Ich muss mich dringend einmischen: "Ich möchte sehen, dass ihr alle euch zu euren Plätzen bewegt und die Unterrichtsmaterialien rausnehmt."
"Gucken wir kein Film? Wieso geben die sonst so viel Geld für dieses Technikding aus, wenn wir eh mit diesen Scheißbüchern arbeiten müssen?!"
"Weil du auch lesen können musst. Und schreiben. Und nett sein auch noch."
"Hä?"
"Vergiss es! Und weil wir gerade beim konstruktivem Diskutieren sind: Scheißbücher ist nicht sachlich."
"Aller, sachlich... sachlich.. was sachlich? Bei uns gibt's nicht sachlich! Schelle und fertig! Dumme Bücher. Besser?" Ich rolle mit den Augen. Aufpassen im Unterricht wird eindeutig überbewertet!
Nafisa schlägt das Buch auf und fängt an zu lesen. Dieser Zustand dauert nicht allzu lange an. "Aaaaller, welche Misgeburt hat sich diesen Hurenfragen ausgedacht? Woher soll ich denn das wissen, was die von mir wissen wollen? Haben die Langeweile? Ich schwöre... was für Text die erfinden. Dieser Scheißtext, ich fick dem seine Mutter..."
"Ey, Mädchen, deine Sätze sind so ohne Sinn. Denk doch ma nach, Mädchen!" Ich muss Serkan zustimmen, viel Sinn ergibt das nicht, was Nafisa gesagt hat. Aber mir glaubt ja keiner.

Ich verbirnge also die Stunde damit, zu erklären, warum wir diesen Text lesen müssen und keinen Film gucken können. Bis es endlich klingelt. Gerade in diesem Moment ist Önder in den Text vertieft. Er guckt zum Lautsprecher und schreit: "Nerv ma' nich'!" Zum Glück bin nicht nur ich der Übeltäter.