Mittwoch, 22. Januar 2014

Ich hab mir mieseste Mühe gegeben!

"Süß ist die Erinnerung an vergangene Mühe."
Euripides


"Can, hast du die Hausaufgaben gemacht?"
"Nein. Aber ich habe dafür Englisch gemacht."
"Und was hat dagegen gesprochen, Deutsch und Englisch zu machen?"
"Boah, Frau Feynberg, ich kann doch nicht mit linken und rechten Hand gleichzeitig schreiben!"
"Caaaan, du hattest eine Woche Zeit für die Aufgabe! Hättest ja zuerst Englisch und dann Deutsch machen können. Oder umgekehrt."
"Ja, war doch nur eine Woche. Viel zu wenig Zeit. Können Sie nicht heute zwei Wochen geben? Oder so?"
"Aaaaller Junge, ich hab gestern bis 12 Uhr nachts Hausaufgaben gemacht! Frau Feynberg, biiitteee kontrollieren Sie! Biiiitte! Ich hab mir mieseste Mühe gegeben!"
"Klar, Abdul. Machen wir gleich."
"Puh, ich schwör, Sie haben mich gerettet! Ich dacht schon, alles war umsonst."
"Abdul, du weißt doch, du lernst nie umsonst."
"Ja ja. Ich bin eh Einstein. Wie gut ich bin, dass ich diese Hausaufgaben gemacht habe. Babo!"
"Also Einstein.. ich weiß nicht.. aber schon mal toll, dass du vorbereitet kommst!"
"Frau Feynberg, wenn Sie mir Ihr Lösungsheft geben, dann bin ich sogar Vater von Einstein. Mit Lösungsheft kann jeder."
"Abdul, quatsch nicht so viel. Hol schon mal alles raus. Es geht gleich los. So Leute, ihr kennt eure Aufgabe. Jeder geht zu seinem Partner."
Can hört ganz aufmerksam zu, seit er das Wort 'Lösungsheft' aufgeschnappt hat. "Frau Feynberg, kann ich mit Sie Gruppenarbeit machen? Dann könnten Sie mir Ihr Lösungsheft geben und ich wär der Beste!"
"Nein."
"Wieeeesooo? Efkan und Isabel machen doch auch zusammen."

Dienstag, 21. Januar 2014

Immer noch Deutsch

"Als ich nach Deutschland kam, sprach ich nur Englisch - aber weil die deutsche Sprache inzwischen so viele englische Wörter hat, spreche ich jetzt fließend Deutsch!"
Rudi Carell
 
Irgendwie sind wir in der 10ten. Irgendwie kommt der MSA irgendwann. Irgendwie muss man etwas tun, um die Prüfungen zu bestehen. Irgendwie geht das gar nicht in die Köpfe meiner Schüler rein.
Heute müssen wir uns mit Sachtexten beschäftigen. Das heißt, viel Text über sich ergehen lassen. Und dazu noch viele eigenartige Wörter, die man vorher noch nie gehört hat. Lernen klappt nur, wenn das Interesse für den Gegenstand vorhanden ist. Dann ist die Motivation da. Lernen klappt, wenn Timm begeistert von dem Auto erzählt, das er letztens bei einem befreundeten KFZ-Mechaniker zerlegen durfte. Lernen klappt, wenn Isabel von den Krankheiten ihrer kleinen Geschwister erzählt und nach dem Besuch beim Kinderarzt ganz genau erklären kann, warum Impfungen den Körper schützen. Lernen klappt, wenn Önder die Computerspiele auf Englisch einstellt und am nächsten Tag stloz die neuen Vokabeln präsentiert.

Lernen klappt nicht, wenn etwas gelernt werden muss, es aber niemanden interessiert. Lernen klappt nicht, wenn man in der Schule sowieso keinen Sinn sieht und Inhalte anwenden muss, von denen man meint, sie nie wieder im eigenen Alltag gebrauchen zu können. Lernen klappt nicht, wenn man etwas lernen muss, was andere beschlossen haben. Und es klappt nicht, wenn alle dasselbe lernen müssen. Jeder hat schießlich andere Interessen.
Es gibt aber bestimmte Inhalte, die jeder lernen muss, um die Prüfungen zu bestehen. Keiner will lernen. Jeder will den MSA in der Tasche haben. Ein kleines Dilemma, das wir da haben.
Heute bin ich fest entschlossen, in den Kiddies die Lust auf Sachtexte zu wecken. Jeder muss sie verstehen können- egal ob KFZ-Mechatroniker oder Sprechstundenhilfe beim Kinderarzt. Ich komme in die Klasse und blicke in totale leere Gesichter. Und auf total leere Tische.
"Hopp Hopp, Deutsch auspacken, Kaugummis ausspucken, Essen wegpacken!"
"Was?" fragt Can.
Isabel scheint auch noch nicht angekommen zu sein. "Was haben wir jetzt?"
"Immer noch Deutsch."
"Scheeeeiße. Echt? Deutsch?"
"Echt. Deutsch. Einmal am Tag in den Stundenplan gucken und schon weißt du, was hier los ist."
Auch Önder ist mit dem Stundenplan nicht einverstanden. "Wieso haben wir denn Deutsch? Haben Sie gaaar nicht angesagt. Ich hab das Hurenheft gar nicht mit."
"Önder! Besitzt du einen Stundenplan?"
"Nein."
"Stimmt. Stundenpläne werden absolut überbewertet."
"Wallah? Is Ihr Ernst?"
"Natürlich nicht."
"Abou. Übertreiberin."
"Wer von euch hat das Heft nicht dabei? Nein. Wer von euch hat das Heft dabei?"
Abdul und Mandy melden sich. Sonst keiner. Mist, meine Unterrichtsplanung kann ich wegschmeißen.
Plötzlich höre ich ein Rülpsen. Ein ziemlich lautes. "Cüüüüs, haben Sie dem gehört?" Als Önder meinen Blick sieht, fügt er ganz schnell hinzu: "Schuldigung, ich schwör, ich dacht, ich wär zu Hause."
"Entschuldigung angenommen. Aber warum kaust du denn weiterhin einen Kaugummi?"
"Hä? Darf ich nicht? Wir machen doch noch gaaar kein Unterricht."
"Auf dem gesamten Schulgelände wird nicht gekaut." Und plötzlich habe ich eine Idee.
"Ich brauche einen Freiwilligen."
Alle Hände schießen hoch.
"Abdul, kannst du bitte ins Sekretariat gehen und für uns alle die kopierte Schulordnung mibringen?"
Ist schließlich auch ein Sachtext.

Donnerstag, 16. Januar 2014

Ich schmink mich doch nur.

"Charme ist der unsichtbare Teil der Schönheit, ohne den niemand wirklich schön sein kann."
Sophia Loren 

Kinder sind Kinder. Jugendliche sind auch Kinder. Aber Eltern, was macht man mit Eltern? Was macht man mit Eltern, die selbst nichts von Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin halten? Eltern, die nicht mehr weiterwissen, verzweifelt sind, Eltern die von ihren Kindernvor uns Lehrern so beschimpft und fertiggemacht werden, so dass ich am liebsten im Boden versinken möchte. Vor Scham. Oder Eltern, vor denen ein Kind so viel Angst hat, dass ich mich bei diesen Eltern gar nicht melden möchte. Gesund können diese Maßnahmen nun auch nicht sein. Eltern, die um 11 Uhr morgens noch schlafen, wenn ich anrufe, Eltern, die zu keinem einzigen Termin kommen. Eltern, auf dessen Hilfe ich nicht zählen kann.

Mandy ist heute bestens gelaunt. Ihr Gesichtsausdruck gleicht dem Regenwetter. Sie guckt mehr in den Spiegel vor sich, als nach vorne. Auf dem Tisch ist nichts. Kein Stift, kein Blatt, kein Buch. Nur ihre Tasche.
"Mandy!"
"Waaaas?"
"Finde den Fehler auf deinem Tisch."
Mandy guckt mich absolut gelangweilt an. "Hä? Was wollen Sie denn von mir?"
Es hat keinen Sinn. Heute nicht.
"Ah nichts. Wollte nur sichergehen, dass es du es bei uns im Klassenzimmer bequem hast."
Mandy rollt mit den Augen. "Jaaa, rufen Sie halt mein Vater an. Mir doch egal. Der macht eh nix."
"Das hatte ich gar nicht vor."
Anscheinend bin ich nicht die einzige, die genervt ist.
"Cüs, Mädchen, kauf dir ma eine Tüte gute Laune! Wie die nervt! Missgeburt elende! Ich würd dich so mobben. Ich hätt so Lust. Aber ich darf ja nicht. Oder darf ich doch, Frau Feynberg?!" Yunus schreit und springt vor Vorfreude.
"Natürlich nicht!"
In dem Moment fängt Mandy an, sich zu schminken. Meine Geduld verabschiedet sich langsam, aber sicher.
"Ist es eigentlich dein Ernst?"
"Waaas? Soll ich hier einen auf Robin Hood machen? So als ob ich nett bin? Ich bin nicht nett! Ich bin voll nervlich drauf. Lassen Sie mich mal in Ruhe!"
"Gerne. Aber kannst dann einfach still sitzen? Von mir aus auch rausgehen? Ich fühle mich nämlich beim Unterrichten gestört und viele andere hier sicherlich auch."
"Neeein, aber ich will hier bleiben. Ich schmink mich doch nur. Wie im Gefängnis hier.."
"Vielleicht sollte ich mich doch mal mit deinem Vater unterhalten."
"Ja, rufen Sie meinen Vater an. Aber biiiitte nicht morgen. Wegen Wochenende. Rufen Sie lieber heute an. Ja? Sonst kann ich mein Wochenende wegschmeißen, ja? Is voll geiler Sale gerade. Ich muss Primark gehen."
"Na dann. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Plan..."

Mittwoch, 15. Januar 2014

Alles positiv

"Alle Dinge werden zu einer Quelle der Lust, wenn man sie liebt."
Thomas von Aquin


Als ich gerade nach Hause fuhr und abbiegen wollte, schaltete sich die Fußgängerampel auf grün. Am Bürgersteig mindestens 20 Kindergartenkinder und drei Erzieherinnen. Ich völlig genervt und geschafft vom Vormittag und den Nachmittag noch vor mir. Mit Korrigieren, Eltern anrufen und diverse Arbeitsblätter für morgen vorbereiten. Zum Sport gehen wäre eigentlich auch nicht shclecht. Ich stehe also an dieser Ampel und befürchte Schlimmes. Ich befürchte mindestes zehn unnötige Minuten Wartezeit, bis diese Kindergartengruppe es schafft, die Straßenseite zu wechseln. Irgendwie liegt es doch in der Lehrermentalität, vom Schlimmsten auszugehen. Ich, nein ich bin nur positiv, denke ich und ertappe mich immer wieder bei den negativen Gedanken.

Aber zurück zu der Ampel und dem Kindergarten. Eine Erzieherin steht ganz vorne, die andere ganz hinten und die dritte in der Mitte. So wie es sich gehört. Plötzlich sagt die Erzieherin ganz hinten etwas. Ich kann nur die Lippenbewegung sehen, habe keine Ahnung, was sie da von sich gegeben hat. Innerhalb von höchstens fünf Sekunden werden aus dem Haufen geordnete Zweier-Reihen. Zügig überqueren die Kinder die Straße und ich stehe mit offenem Mund da und vergesse, dass ich schnell nach Hause wollte. Warum reagieren meine Schüler auf meine Anweisungen nicht so schnell? Trotz mehrfacher Ansagen, melden sie sich nich rechtzeitig krank, sagen nicht Bescheid, welches Thema sie noch einmal üben möchten, setzen sich nicht sofort um, spucken ihr Kaugummi doch nicht aus oder holen ihre Materialien erst zehn Minuten nach dem Klingeln raus? Lag es an der Autorität der Erzieherin, an ihrem Spruch, vielleicht an dem gutbürgerlichen Bezirk? Ich bin baff.

Und dann denke ich an die Wunschliste einiger Berliner Schulen, die letztens veröffentlich wurde.
Und denke dann an meine Schule. Sooo unhygenisch ist es bei uns nicht. Man kann sich ohne Ekelgefühl von A nach B bewegen. Auch die Toiletten kann man durchaus benutzen, auch wenn man seine eigene Seife mitbringen muss. Lehrer haben wir gerade noch so viele, dass der Unterricht vollständig gewährleistet werden kann. Der Schulhof ist zwar total langweilig, aber immerhin groß. In letzter Zeit ist nur ein Fenster abgefallen, weil es so marode war- es war gerade kein Schüler in der Nähe. Die Wände kann man wegen des nicht vorhandenen Budgets nicht mehr streichen lassen. Aber egal, dann können sich die Jugendlichen an *ihrem* Raum beteiligen. Eine neue Turnhalle haben wir auch. Und auch Smartboards in fast jedem Klassenraum. Berlin soll ja bald ganz kreidefrei werden. 

Und meine Schüler. Die sind eigentlich nett und witzig. Die fragen nach, wie es mir geht. Sie entschuldigen sich, wenn sie zu spät in die Klasse reinstürmen. Ziele haben sie auch. Theoretisch. Im Kopf haben viele auch was. Bestimmt werden diese Zellen ganz bald die Faulheit besiegen. Die Kiddies sind auch hilfsbereit. Die würden den schwersten Schrank drei Stockwerke hochtragen. Während der Unterrichtszeit natürlich. Also ist doch alles gut. Alles positiv.

Donnerstag, 9. Januar 2014

Lob ist toll!

"Im Lobe ist mehr Zudringlichkeit als im Tadel."
Friedrich Wilhelm Nietzsche

Es klingelt. Ich bin geschafft. Sind denn wirklich erst vier Tage seit den Ferien vergangen? 

Die Schüler scheinen genauso erfreut über das Klingelzeichen zu sein. Munter stürmen sie in den Flur. Lediglich Can bleibt stehen.
"Frau Feynberg... ich wollt nur sagen... also... ich war in diesem Büro. Wegen Ausbildung!"
Ich bin sofort hellwach. "Und und?"
"Die haben mich gelobt. Ich verstehe das gar nicht." Wie abwesend fügt noch einmal hinzu: "Gelobt... die haben mich gelobt..."
"Super! Dann scheinst du ja etwas richtig gemacht zu haben! Lob ist toll!"
"Ja.. schon... die haben gesagt, ist voll gut, dass ich denen Lebenslauf und Bewerbung gebracht habe. Ah so.. und dass ich noch angerufen habe. Wegen Termin. Die haben noch gesagt, ich habe gute Chancen und so. Der Mann muss noch mit seinem Kollegen oder so sprechen."
"Das sind ganz ganz tolle Nachrichten! Toll, ich freue mich sehr!"
"Ja aber.. Lob und so. Sie haben uns ja gezeigt, wie man Bewerbung macht. Und das mit dem Anruf auch. Also.. ich wollte noch Danke sagen. Sie haben mir ja auch gesagt, ich soll dahin gehen."
"Sehr gerne! Halte mich auf dem Laufenden!"
"Ok. Tschüß. Und schönen Tag noch."
 Can geht zur Tür, bleibt aber dann stehen. "Und noch was, Frau Feynberg. Ich bin stolz auf mich..." sagt er ganz leise.

Und dann verstehe ich wieder einmal, dass ich den schönsten Beruf überhaupt habe.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Hatten Sie diese Vögel?

Richtig verheiratet ist der Mann erst dann, wenn er jedes Wort versteht, das seine Frau nicht gesagt hat.
Alfred Hitchcock 

Ich bin mitten im Unterricht. Gerade bei der Kommasetzung. Da schreit Isabel: "Aaaaaah, sie hat ein Ring, Sie hat ein Ring! Frau Faaaaynberg! Geheiratet oda was??"
Die Klasse stöhnt und Önder antwortet: "Cüs, Mädchen! Was los mit dein Gedächtnis? Als deine Mutter dir gesagt hat, bring Müll raus, hast du dein Gedächtnis weggeschmissen? Frau Feynberg hat Tausendmillionenmal vor Ferien gesagt, die heiratet!"
Isabel ist platt. "Echt? So richtig geheiratet? Mit weißes Kleid? Und hatten Sie diese Vögel? Wie heißen die? Diese... Tauben?"
"Nein, wir hatten keine Tauben."
"Aber weißes Kleid wie Prinzessin?"
"Ja, weißes Kleid. Können wir jetzt weitermachen mit Kommasetzung?"
"Ooooh, wie schön. Ja ok, ich stell keine Fragen mehr. Komma."
Nafisa möchte sich nicht mit der Kommasetzung auseinandersetzen und sagt: "Frau Feynberg, bringen Sie ma Fotos."
"Nein."
"Biiiittteeee, ich will soooo sehr sehen!"
"Meine Hochzeit. Meine Fotos. Nein."
"Aber sagen Sie dann... ist Ihr Mann auch Jude?"
"Ja."
"Schwören Sie! Miesgeil! Ich kenn jetzt zwei Juden, Sie und Ihre Mann! Verdient Ihr Mann viel?"
Auch hier reagiert Önder: "Als ob Frau Faynberg den wegen Geld heiratet! Hauptsache Gesundheit, wa, Frau Feynberg?"
"Genau, Önder! Und Nafisa, du kennst meinen Mann doch gar nicht?!"
"Egal. Aber ich kenn Sie. Das ist so wie... ich kenne Ihre Mann."
"In 15 Jahren will ich auch heiraten," erklärt Mandy. "Aber auf jeden Fall mit Tauben. Und vielleicht Limousine. Nee, habe ich 15 gesagt? Da bin ich ja 33. Nee, 32. Nee, 31. Scheiße, wie alt bin ich dann? Neee, vooooll alt schon. Ich heirate in 8 oder so. Aber mir ist schon bisschen wichtig, dass der Mann gut verdient!"
"Ok Leute, es reicht. Ihr könnt mir gerne in der Pause weitere Fragen stellen. Jetzt arbeitet jeder mit seinem Partner. Melina, wo ist dein Partner?"
"Sie hat keinen Partner, sie ist Single! Nicht so wie Sie!"
Hier denkt niemand an Deutsch. Niemand. Nur ich.

"Also, ich finde Heirat macht gar keinen Sinn." David hat bisher kein Wort gesagt. Auf einmal scheint er, wach zu sein. "Man lässt sich eh wieder scheiden. Und Kinder will ich auch nicht, kosten nur Geld." David guckt ganz traurig.
"Ich hab noch eine Frage, Frau.. Feynberg!"
"Isabel, du hast doch schon alle möglichen Fragen gestellt..."
"Neeein, ich habe noch eine. Letzte, wirklich! Versprochen... was war noch mal die Frage? Ah ja! Haben Sie schon Flitterwochen gemacht?"
"Nein."
"Wann machen Sie?"
"Möchtest du, dass wir jetzt sofort wegfahren oder warum fragst du?"
"Nein, ich wollt nur fragen, wie viele Wochen Sie dann bleiben? 10?"

 

Dienstag, 7. Januar 2014

Warum soll ich Sie anrufen?

"Wenn eine Frau beim Telefonieren 'Also bis bald' sagt, beginnt die letzte Viertelstunde des Gesprächs.
Chris Howland


Zwei Wochen sind kurz. Für mich zumindest. Ich wäre dafür, die Ferien zu verlängern. 
Für die Kiddies sind sie viel zu lang. Zwei lange Wochen, in denen man an alles denkt, außer Schule. Obwohl man Hausaufgaben hatte. Obwohl MSA ansteht. Obwohl Lesen empfohlen wurde. Zwei Wochen, in denen man an alles denkt. Außer an Pünktlichkeit, Ordnung und Verantwortung.Viel zu lange zwei Wochen.

Wir haben also wieder Schule. Und ich muss wieder an den Anfang. 
Abdul ist krank, vergisst aber, sich abzumelden. Seine Eltern denken erst gar nicht dran. Ich rufe bei Abdul an. In der Pause. Um 9:40 Uhr.
"Hallo, hier ist Frau Feynberg, ist Abdul zu Hause?"
"Ja, aber schläft??!" Die Mutter scheint total überrascht zu sein, dass ich anrufe.
"Er muss aber seit 8 Uhr in der Schule sein. Die Schule hat wieder angefangen. Ferien sind vorbei!"
"Ja, aber Ferien auch krank."
"Er ist krank?"
"Sehr krank. In Ferien."
"Ja, das verstehe ich. Aber jetzt ist Schule. Keine Ferien mehr. Und gestern war er doch da?!"
"Gestern nicht krank. Jetzt auch krank."
"Er ist also immer noch krank?"
"Ja, immer krank."
"Und warum hat keiner angerufen, um ihn krankzumelden?"
"Ja. Nicht gut. Später Abdul geht Arzt und später Sie anrufen. 5 Uhr." Warum er erst um 5 Uhr zum Arzt geht, ist eine gute Frage. Ich stelle sie aber nicht.
"Wenn Abdul krank sein sollte, müssen Sie in der Schule anrufen! Oder eben Abdul. Er kann auch mich anrufen. Ich muss als Klassenlehrerin wissen, wo Ihr Sohn ist. Es könnte ja auch sein, dass etwas passiert ist!"
"Neeeein, nix passiert. Krank. Nur krank. Wissen Sie?"
"Ok... Gute Besserung und sagen Sie ihm, er soll mich anrufen, nachdem er beim Arzt war."
"Anrufen? Schule?"
"Nein, mich anrufen. Nach 14 Uhr erreichen Sie in der Schule niemanden mehr. Er soll mich anrufen und mir sagen, wie lange er krankgeschrieben ist."
"Ok. Sage ich. Danke Frau Feynberg."
Abdul hat sich bis jetzt nicht gemeldet.

In der zweiten Pause rufe ich Nafisa an. Pausen werden einfach überbewertet. Auch sie ist nicht erschienen. Weder gestern noch heute. Weder gestern noch heute gab es eine Meldung. Mittlerweile haben wir nach 11 Uhr. Nafisas Handy ist aus. Die freundliche Dame teilt mir mit, dass der Anrufer per SMS benachrichtigt wird. Die einzige Handynummer, die ich von der Mutter habe, funktioniert genauso wenig. Zu Hause geht auch keiner dran. Na super. Wenn es so weitergeht, muss ich vorbeifahren. Ätzend. Wenigstens sind alle anderen da. Heute sogar alle pünktlich. Gestern habe ich die erste Stunde mit der Hälfte der Klasse begonnen.

Um 16 Uhr nochwas klingelt meint Handy. Nur einmal. Nafisa lässt klingeln. 
"Hallo?"
"Nafisa! Wo steckst du?"
"Was schreien Sie so? Ich bin krank! Vooooll die Kopfschmerzen. Und ich musste sogar dreimal kotzen. Sind so eklige Stückchen rausgekommen."
"Sehr interessant... Und warum hast du dich Montag früh nicht gemeldet? Ich muss wissen, wo ihr seid!"
"Hab ich! Schwöre!"
"Du brauchst nicht zu schwören, sondern dich nur pünktlich abmelden! Ist es denn zu viel verlangt??"
"Ich hab angerufen. Auf Ihrem Handy, aber da war keiner!"
"Wie?? Da war keiner?"
"Ist Ihr Handy vielleicht kaputt? Ich hab gestern den gaaanzen Tag angerufen. Die Nummer auf der Liste. Ist doch Ihre?" Nafisa diktiert mir die Nummer. Sie stimmt.
"Nafisa, mein Handy ist absolut in Ordnung! Du kannst gestern gar nicht den ganzen Tag angerufen haben!"
"Dooooch! Und dann noch Sekretariat! Was machen Sie für Filme? Blockbuster, ey! Das ist doch alles vorgeplant! Warum soll ich Sie anrufen? Was soll's bringen? Damit Sie mich mit Ihren Fragen voll knechten??"